Viva la Vulva: Unser Statement zum Dyke March Berlin am 22. Juli 2022
Warum?
Am 2. Juli waren wir auf dem Dyke March Köln von Transaktivist/innen angegriffen worden. Am selben Tag hatten wir beschlossen, von nun an als offen homosexuelle Frauen auf Dyke Marches zu gehen.
Wir stehen für Lesben und lehnen die Vereinnahmung unserer Räume durch Männer ab. Weil wir mit Angriffen durch Transaktivist/innen rechnen mussten, nur dafür, dass wir die Definition von „Lesbe“ zeigten, beschlossen wir, vor den Zug zu gehen, wo sich die Polizei befand und wo wir maximal sichtbar sein konnten. Außerdem befürchteten wir, dass unsere Möglichkeit zur Teilnahme sonst nicht gesichert sein könnte und wir mit großer Wahrscheinlichkeit noch vor Beginn herausgeschmissen werden würden, wie es bei Get The L Out u.a. bereits passiert ist.
Unsere Botschaft: Lesbe ist kein schmutziges Wort. Lesben müssen sichtbar sein können, ohne angegriffen zu werden. Wir fürchten euch nicht und wir werden niemals verschwinden. Lesben werden nicht wieder untertauchen.
Der diesjährige Berliner Dyke March lief unter dem Motto „All Dykes* Are Beautiful“. Das Sternchen hinter ‚Dyke‘ (z. D. etwa „Kampflesbe“) bedeutet, dass Männer in einem ursprünglich lesbischen Raum willkommen sind. Auch steht es für die Konversion von Lesben zu „Transmännern“. Uns Lesben wird vermittelt, wenn wir Frauen lieben, müssten wir Männer sein. Seit neuestem nicht nur von alt-konservativen Teilen der Gesellschaft, sondern auch von der „LGBTQ-Community“. Deshalb sollten sie sich mithilfe von sogenannter „trans health care“ selbstverletzen, indem sie sich chemisch und chirurgisch verstümmeln und kastrieren lassen1. Junge Lesben und Lesben, die unter internalisierter Homophobie leiden, sind von dieser neuen Form der Konversionstherapie besonders bedroht. Lesbenräume werden ausgelöscht, jede Lesbe, die Kritik übt, wird ausgeschlossen, bedroht oder sogar angegriffen. Diese Diskriminierung geht nicht nur von lokalen Gruppen aus. Sie kommt von den höchsten Ebenen der Politik.
Wenn Männer plötzlich in für Lesben designierten Räumen willkommen sind, diesen Männern vermittelt wird, Lesben wären grundsätzlich an ihnen sexuell interessiert und jede Lesbe, die etwas anderes sage, sei eine „diskriminierende TERF“, dann bringt das Lesben in akute Gefahr. Einige unserer Mitfrauen haben das bereits am eigenen Leib erlebt.
Statt sie und ihren Fetisch in die Kritik zu nehmen, werden Männer von Dyke Marches mit Sternchen als „Lesben“ validiert.
Wir verlangen freie Meinungsäußerung, nicht angegriffen und nicht zum Sex mit Männern gedrängt zu werden. Die Mittäterschaft der Dyke Marches muss aufhören.
Ablauf
An der Kreuzung Mehringdamm/Yorckstraße warteten wir den Dyke March ab. Als der Dyke March Berlin mit dem „ALL* DYKES ARE BEAUTIFUL DYKE MARCH BERLIN“-Banner um die Ecke bog, gingen wir von der Seite rein und führten mit unserem Banner „Lesbian noun a homosexual adult human female [Lesbe Nomen eine homosexuelle Person weiblichen Geschlechts]“ den Marsch an.
Die Orga hielt den Marsch an. Die Veranstalterin des Dyke March Berlin ging auf uns zu, überholte uns, stellte sich vor uns und machte uns klar, dass wir weder vor noch nach dem Hauptbanner etwas verloren hätten. Wir rannten an ihr vorbei wieder nach vorne. Die Dyke March Orga weigerte sich, den Marsch fortzuführen.
Die irritierte Polizei (mit spezieller Einheit für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit mit LSBTI-Bezug), die – bis auf einen Polizisten, der uns vermittelte, wir wüssten „genau“, was das Problem sei – aber auf Nachfrage nicht elaborierte – nicht verstand, was an unserem Banner anstößig sein sollte, außer, dass es als anstößig wahrgenommen wurde, versuchte, uns zum Gehen zu überreden und machte sich dann auch daran, uns aus dem Marsch herauszuholen. Dazu kam es allerdings nicht, denn indessen entbrannte eine Diskussion seitens älterer Lesben, die bei der Veranstalterin Einspruch gegen den Rauswurf der Lesben erhoben. Die ersten aggressiven Transaktivist/innen stießen dazu.
Während wir verhandelten, bildete sich zunehmend eine Traube aggressiver Männer und Frauen um uns. Einige Polizisten bildeten einen Schutzwall zwischen uns und den Transaktivist/innen auf dem Bürgersteig.
In dem Moment, in dem der Zug anhielt, wurden wir zur Zielscheibe. Dass wir wie auf dem Präsentierteller waren, nutzten Transaktivist/innen naturgemäß aus, um uns anzugreifen.
Eine Frau in schwarz mit Sonnenbrille sprintete, angestachelt von ihrer männlichen Begleitung, in Richtung schwarzes Banner und versuchte, uns anzuspringen. Dies konnte nur durch die geistesgegenwärtige Reaktion einer unserer Frauen verhindert werden, die einen menschlichen Schutzschild bildete, indem sie der Angreiferin den Rücken zuwandte und ihr mit dem lilafarbenen Banner den Weg versperrte. Die Polizei hielt daraufhin die Frau von uns fern.
Wir wurden der Straße verwiesen und sollten auf dem Bürgersteig warten, bis der Zug passiert war. Der wütende Mob jedoch weigerten sich, weiterzugehen und bildete eine Traube um uns. Die Polizei versuchte, uns schützend zu umringen.
Die Veranstalterin versuchte an einem Punkt, die aggressiven Transaktivist/innen zu beschwichtigen.
Das Schild „You never need to apologize for not liking dick“ wurde von einem Mann gestohlen.
Eine unbeteiligte Frau, die den Diebstahl des Schildes gefilmt hat, wurde daraufhin angegriffen. Die Transaktivist/innen riefen dabei auf sie ein.
Eine andere unbeteiligte Frau, die ein Handy in der Hand hatte und aussah, als würde sie filmen, wurde von einer Transaktivistin auf ihre Cappie geschlagen. Andere Frauen gingen dazwischen. So zeigte sich das transaktivistische Verständnis von Kontaktschuld.
Ein Mann mit Rock und grünem Oberteil sah das Schild „Gender Identity is Neocolonialism“ und spuckte die es haltende Frau an. Die erstattete dafür Anzeige. Der Mann wurde von der Polizei aus dem Marsch eskortiert.
Die Transaktivist/innen fingen an, „Some chicks have dicks, get over it! [Manche Weiber haben Schwänze, findet euch damit ab!]“ und „TERFs go home!“ zu brüllen und griffen nach uns. Die Polizei teilte uns mit, dass sie befürchtete, dass die Transaktivist/innen die Situation eskalieren würden. Nicht unberechtigterweise, wie wir an den gewalttätigen Übergriffen auf uns beim Dyke March Hamburg 2022 in einer ähnlichen Situation gesehen haben. Wir möchten den Vergleich des Lynchmobs anführen.
Letztendlich wurde uns erlaubt, am Marsch teilzunehmen, aber nur hinten. Die Polizei versicherte unseren Schutz. Die Polizei teilte uns mit, dass wir zu unserer Sicherheit alle Banner herunterzunehmen sollten, bis der Marsch passiert war.
Nachdem der Umzug dank der Intervention der Polizei passiert war, schlossen wir uns mit Polizeischutz hinten an.
Ältere Lesben stießen zu uns und wollten uns unterstützen, begleiteten uns auch eine Weile und halfen, uns vor Übergriffen zu schützen.
Transaktivist/innen versuchten jedes Mal, uns anzugreifen, sobald sich die Gelegenheit bot. Unter anderem wurde mehrfach versucht, unser großes Banner anzuzünden und einer der Lesben wurde von hinten auf den Hinterkopf geschlagen, während sie das schwarze Banner schützen wollte, an dem gezogen wurde.
Von Anfang bis Ende liefen wir über eine Stunde mit. Über diese Zeitspanne kam es zu derart vielen positiven und negativen Interaktionen, dass wir hier nicht alle aufzählen können. Genauso schwierig ist, abzuschätzen, wie viele Anzeigen wir insgesamt aufnehmen mussten. Es werden wohl über ein Dutzend gewesen sein.
Immer wieder brachen aus dem Zug Gruppen von Transaktivist/innen aus und verfolgten und bedrohten uns. Es gab kaum einen Moment, in dem wir nicht von einer Gruppe Transaktivist/innen verfolgt wurden, mindestens eine Gruppe war immer an uns dran. Obwohl wir unter Polizeischutz standen, versuchten sie unablässig, uns anzugreifen. Das zeigt die kriminelle Energie, die von dieser Bewegung ausgeht, sehr gut.
Unsere Teilnahme am Marsch endete damit, dass die Polizei uns mitteilte, sie könnte uns mangels Personals nicht länger vor den konstanten Angriffen schützen. Zitat eines Polizisten: „Wir hatten gerade eine [Polizei-]Gruppe an euch dran und es hat schon fast nicht gereicht, um euch vor Übergriffen zu schützen.“
Die Polizei
Ohne den Schutz der Polizei in Berlin wäre uns eine Teilnahme nicht möglich gewesen, so aggressiv war das Verhalten einiger Teilnehmerinnen und Männer. Die Polizei musste uns vor den Angriffen schützen und tat dies auch konsequent.
Ohne den Einsatz der Polizei hätten einige Situationen übel ausgehen können.
Wie auch in Hamburg und Bremen fragte uns ein sichtlich verwirrter Polizist am Ende „auf persönlicher Ebene“, was denn nun konkret das Problem mit unserem Banner sei und ob wir wüssten, warum wir diese Reaktionen bekommen würden.
Die Ordner/innen
Einmal stoppten uns zwei Ordnerinnen und versuchten, uns mitten im Marsch dazu zu bringen, unser Banner mit der Definition von „Lesbe“ herunterzunehmen. Davon ermuntert bildete sich ein Mob um uns, der „TERFs raus!“ rief, bis er von der Polizei aufgelöst wurde.
Eine andere Ordnerin schubste eine aus unserer Gruppe zurück und stellte sich dem Real Dyke March mit ausgebreiteten Armen in den Weg, zog am Banner und versuchte, einer Frau ihr Pappschild und einer anderen ihr Handy zu entreißen. Ihr Problem? Ein paar von uns waren zu weit nach vorne gelaufen.
Dick* March Berlin
Leider müssen wir „Ordner/innen“ gendern, denn unter ihnen waren Männer. Aggressionen uns und FrauenLesben gegenüber durch Männer gab es auch nicht zu knapp. Anscheinend wurden auf demselben Dyke March Lesben von Männern mit Steinen beworfen.
Nachspiel
In einem anschließenden Interview bezeichnete uns die Organisatorin des Dyke March als „unwichtige Mini-Gruppe[n] von Fanatikern“, das heißt Extremist/innen, die „[…] wirklichkeitsfremd (Illusion) politische oder religiöse Heilslehren übereifrig vertreten und zur Durchsetzung ihrer Überzeugung auch Gewalt gegenüber Andersdenkenden (Intoleranz) anzuwenden bereit sind.“2
Wir halten uns demnach nicht für Fanatiker. Wir greifen schließlich keine Frauen dafür an, dass sie ein Banner mit der Definition von „Lesbe“ halten, weil dies gegen unsere religiösen Überzeugungen von „Genderseelen im falschen Körper“ geht.
Die Szene „LGBTQ“ ist längst gespalten. Man kann sogar sagen, dass es nie eine Einheit gab. Auf der einen Seite haben wir die queere Bewegung und die Transbewegung, von denen konstant Verhalten wie auf dem Trans Pride in Berlin am 30. Juli 2022 kommt; auf der anderen Seite Frauen, Feministinnen und Menschen, die einfach zu ihrem eigenen Geschlecht hingezogen sind.
Eine der Bannerträgerinnen hatte auf dem Dyke March Berlin einen Moment mit einer anderen Frau, von dem sie erzählen möchte:
Aus einer Gruppe kam eine Frau auf mich zu und verwickelte mich auf Englisch in ein Gespräch. Sie fragte mich, was mein ‚transphobes‘ Banner solle. Ich meinte ‚Ich bin einfach eine Lesbe‘ und sei demnach zu Personen weiblichen Geschlechts, also ‚cis‘ Frauen und ‚Transmännern‘ (Frauen, die behaupten, Männer zu sein oder Testosteron nehmen) hingezogen. Die Frau stockte daraufhin und ich sah, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. ‚I feel the same.‘ ‚Mir geht es genauso.‘ Zuerst verstand ich nicht, was sie meinte.
Da habe ich verstanden; die Frau ist eine Lesbe, kann es aber nicht sagen. Oder hatte es vielleicht noch gar nicht realisiert. Vermutlich war ihr in dem Moment schlagartig bewusst geworden, worum es in diesem Konflikt ging. Ich hatte das starke Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen und legte meine Hand auf ihren Arm.
In dem Moment zog sie die Gruppe, mit der sie gekommen war, weg von uns. Sie schaute zurück. Wir sahen uns an und wir beide hatten Tränen in den Augen. Dann verdeckte ihre Gruppe sie und schnitt ihren Blick ab.
Für mindestens eine Lesbe in diesem Dyke March waren wir also nicht unwichtig. Das ist alles, was für uns zählt.
Was bedeutet das für Lesben?
Personen weiblichen Geschlechts, die exklusiv zum eigenen biologischen Geschlecht hingezogen sind, auch Lesben genannt, sind in ihren eigenen Räumen nicht länger willkommen, toleriert oder sicher.
Köln war kein Einzelfall. Das sollten die Ereignisse auf dem Dyke March Berlin hinreichend belegen. Die „LGBTQ-Community“ hat ein Problem und es heißt Lesbenfeindlichkeit.
Das lässt sich nicht schönreden und es wird durch Ignorieren nicht verschwinden. Statt uns untereinander zu bekämpfen, sollten wir Lesben in diesen Zeiten zusammenstehen.
Wir werden die Räume nur für Lesben wieder aufbauen, egal, welche Steine uns dabei in den Weg gelegt werden. Schritt für Schritt.
Zu den Auswirkungen und Komplikationen nur einer der Operationen, die von der Transbewegung für Frauen angepriesen wird, der Phalloplastik. Bei dieser wird ein Stück Haut von üblicherweise dem Arm zu einer Röhre geformt und im Genitalbereich angenäht. Dazu kommt das Entfernen des Uterus und der Eierstöcke, das Entfernen und Zunähen der Vagina, das Entfernen der Vulvalippen und Teilen der Klitoris und das Verlegen von Klitoris und Harnröhre. Wir sehen dies als eine Form der FGM.